Norddeutsche Runschau 25.05.1016
Hunde für die Seele: Hohenasperin Nicole Weiss findet mit ihren Vierbeinern Zugang zu einer Welt,
die Therapeuten sonst verschlossen bleibt.
Tier-Therapeutin Nicole Weiß mit ihren tierischen Assistenten Maily und Anna.
Heiligenstedten
„Darf ich sie von der Leine nehmen“, fragt Nicole Weiss, als sie den Raum betritt. Schließlich mag nicht jeder Hunde. Dabei sind die sechs Jahre alte Maily und ihre erst einjährige Tochter Anna gar keine gewöhnlichen Hunde. Die Golden Retriever haben eine einjährige Ausbildung als Therapiebegleithund hinter sich. „Das ist ein anderer Job, als der eines Schulhundes“, sagt die gelernte Krankenschwester, die ebenfalls eine Zusatzausbildung absolvierte, um therapeutisch in Schulen oder Seniorenheimen tätig zu werden. Natürlich nicht allein, sondern mit ihren fünf tierischen Co-Therapeuten.
Ein Therapiehund habe viele Möglichkeiten, auf Menschen zu wirken und bei ihnen etwas auszulösen. „Die Erfahrung zeigt, dass ein geschulter Therapiehund für mehr Lebensqualität beim Menschen sorgt, da eine Bearbeitung von Ängsten, Sorgen und Handicaps stattfindet“, erklärt Weiss, die seit einem knappen Jahr auch Schüler der Julianka-Schule in Heiligenstedten besucht. Auf Empfehlung der Lehrer, so die 47-jährige Hohenasperin, komme sie einmal wöchentlich in die Schule, um Jungen und Mädchen der zweiten bis vierten Klasse auf „Seelenebene“ zu unterstützen. Die Arbeit mit dem Hund stärkt das Selbstbewusstsein und hebt das Selbstwertgefühl. „Es gibt immer spezielle Situationen im Leben eines Kindes, die es auffällig werden lassen.“ Mal sei es eine „Schräglage in den Häuslichkeiten“, bei denen vielleicht die Mutter erkrankt oder der Vater weggezogen ist. Es können aber auch Kinder sein, die in einer Pflegefamilie groß werden, Handicaps haben oder einen Verlust erleiden mussten.
„Einige Kinder kennen keine Distanz oder ihnen fehlt der nötige Respekt, andere haben Blockaden auf emotionaler Ebene“, sagt die Hohenasperin. Der Hund, sagt Weiss, könne die Brücke zu dem Kind bilden, damit es sich wieder öffnen kann. „Ich kann mit meinen Hunden das Kind stärken, in dem die Seele und das Herz berührt werden.“ Wichtig sei es daher, dass der Hund wertfrei und mit Freude auf sein Gegenüber zugeht.
Zuerst müssen die Kinder, die meist in Einzeltherapie zu mir kommen, die Hunde begrüßen“, erklärt Weiss. Auch seien bestimmte Regeln notwendig. „Die Kinder müssen lernen abzuwarten, bis der Hund zu ihnen kommt.“ Erst dann wird mit Schnuffeltuch, Würfel oder anderem Spielzeug angefangen zu arbeiten. Schließlich werden durch das gemeinsame Lösen von Aufgaben oder beim Spielen, Kuscheln und Toben mit dem Hund alle Sinne angesprochen und sensibilisiert. „Die Arbeit mit dem großen Schaumstoffwürfel, in dem die Kinder kleine Leckerbissen für den Hund verstecken, verbessert beispielsweise die Konzentration, Koordination, Bewegung, Motorik und insbesondere das Vertrauen“, erklärt die Therapeutin.
Enttäuschend sei, dass die Kosten einer tiergestützten Therapie trotz sichtbarer Erfolge nicht von den Krankenkassen getragen würden. „Für ein Jahr konnte das Projekt in Heiligenstedten Dank Sponsoren im vergangenen Sommer finanziert werden“, sagt Weiss. Es seien jedoch mindestens schon sechs Monate erforderlich, bis ein Kind die Therapie verinnerlicht habe. Auch Schulleiterin Constanze Reimers betont, dass diese Therapie ausschließlich positive Auswirkungen auf die Kinder habe. „Wir können in der tiergestützten Therapie eine neue Lebensqualität schaffen“, ist Weiss sicher. Denn: „Der Hund dringt in die Welt der Menschen ein, bei denen wir allein keine Erlaubnis mehr bekommen, überhaupt anklopfen zu dürfen.“
Kristina Mehlert